Warum ich ein neues „Glashaus“ schrieb

In diesem Artikel widme ich mich der Frage, wieso ich ein neues „Glashaus“ erschuf, was mich sieben Jahre Schreibarbeit kostete und mich an manchen Tagen an meine nervlichen Grenzen brachte. Manchmal legte ich das Manuskript über Wochen und Monate – gar über Jahre – zur Seite. Das Schreiben über die Vergangenheit der frühkindlichen dysfunktionalen Familienstruktur und den schulischen Herausforderungen als Kind geflüchteter Eltern, brachte mich oft ins Grübeln. Längst vergessene Erinnerungen suchten mich im Traum heim.

Doch dann dachte ich an meine Mission, die ich mittlerweile seit fast zehn Jahren in Schulen verfolge: Was will ich den Schülern mitgeben, die innerlich schon aufgegeben haben? So entstand meine neue Zielgruppe und das neue Werk. Im neuen „Glashaus“ geht es in erster Linie um die zerrüttete Mutter-Sohn-Beziehung, die ich bis zum Tod meiner Mutter im Alter von 21 Jahren nicht reparieren konnte und in den Streitigkeiten nie mitteilen konnte, was ich ihr eigentlich sagen wollte. Es richtet sich an all diejenigen, die heute keine Beziehung zu einem Elternteil mehr haben und diesem Elternteil gerne etwas sagen würden. In der Kindheit fehlte es mir an jeglicher Unterstützung. Es wurde gefordert, aber nicht gefördert. Diese gerade nicht förderliche pädagogische Kombination erzeugte früh einen inneren Überlebensmechanismus, den ich mir zu Herzen nahm. Nach außen versuchte ich, Eltern und Lehrern gegenüber gerecht zu werden, doch innerlich war ich mir selbst gegenüber selten gerecht – eine Gleichung, die dem Seelenleben auf lange Sicht nicht gut tut. Dahingehend brach mein eigenes „Glashaus“ auch mit 24 Jahren innerlich zusammen, und ich musste mich neu finden. Die Fragen „Wer bin ich?“ und „Wohin will ich?“ spielten dabei eine zentrale Rolle auf der Suche nach mir selbst und schließlich der eigentlichen „Identität”. In diesem Zusammenhang entstand 2016 das Programm „Identitätsreise“, welches nun nach zehn Jahren durch das neue Programm „ENDLICH ANGEKOMMEN!“ ersetzt wurde.
Es ist eine Reise durch die dunkelsten Kapitel meines Lebens, die am Ende zur Hoffnung zurückkehrt und im Hier und Jetzt ankommt. Eines der dieser Kapitel ist der Start im Asyl- und Obdachlosenheim in Ratingen, wo ich 1987 geboren wurde und die ersten neun Jahre meines Lebens verbrachte. Eine Zeit voller Ungewissheit, Ängste und der ständigen Verzweiflung, ob sich die Situation jemals ändern würde. Doch die Hoffnung und der Glaube an Gott, den wir als Familie stets hatten, brachten nach neun Jahren ein Wunder mit sich, und wir zogen in eine gut behütete Gegend. Dennoch blieben die Wunden aus dem Krieg bei meiner Mutter bestehen. Dahingehend beschäftigt sich das neue Buch auch mit der Frage: Welche Folgen eine Kriegstraumatisierung der Eltern auf die Erziehung von Kindern hat, die im Exil geboren und aufgewachsen sind. Dabei möchte ich allen helfen, die selbst einst Opfer kriegstraumatisierter Elternteile waren oder sind, und mögliche Auswege aufzuzeigen, wie sie die Kindheitswunde heilen können. Um genau diese Wunde zu heilen, musste ich in meinem „Glashaus mit Steinen“ werfen – was mir letztlich den Weg aus dem kulturellen Dilemma ebnete.

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