Wie ich aus dem kulturellen Hamsterrad entkommen bin

Mit der Geburt bekommen Kinder in den ersten Jahren von unseren Eltern und Umfeld alles beigebracht, wie die „Welt“ nach ihren Vorstellungen und Ansichten funktioniert, ohne dabei in den meisten Fällen nach unseren Wünschen sich erkundigen, wie das Kind es sieht. In den ersten Jahren haben Kinder keinen „aktiven“ Willen Dinge zu hinterfragen, die ihnen beigebracht werden. Tun sie es doch, wird dies in vielen Fällen mit der erwachsenen „Logik“ niedergeschmettert. So zumindest war es bei mir lange Jahre der Fall. Ich lernte die Welt so kennen, wie sie mir beigebracht worden ist. Und dennoch gab es eine leise „innere Stimme“, die mir stets einflüsterte, dass es noch mehr „draußen“ gibt, außerhalb des elterlichen Kosmoß. Doch diese Neugier wurde bereits im Funken oft vernichtet und immer wieder setzte ich neu an. Doch das „neu“ ansetzen brachte eine „Rebellion“, die gepaart war mit Schweigen und Ignoranz der Engsten, sowie physischen und psychischen Verletzungen. Und das bereits zu Kindheitstagen. Doch dies nahm ich bereits in jungen Jahren bewusst in Kauf, weil ich irgendwie nicht anders konnte. Zu groß war der innere Widerstand. Zu groß der Wunsch nach Veränderung des Systems, indem ich einst aufwuchs.

Das Kastenwesen


Es ist eines des diskriminierensten Systems, wo Menschen verachtet werden, aufgrund ihrer sozialen Hierarchie, in der sie hineingeboren werden. Dieses Kastenwesen wurde mir in meinen Kindheitstagen durchkulturelle Filme aus der Heimat meiner Eltern (Sri Lanka), als auch durch das Umfeld, indem wir als Familie unterwegs waren, beigebracht. Ich konnte als Kind dieses System nicht hinterfragen, doch spürte ich, dass es nicht zu mir passte. Es ist eine Form, um den eigenen sozialen Status gegenüber sozial unten gestellten Menschen, zu demonstrieren und eine Art „Macht“ auszuüben. Gewisse Vorteile, wie der Zugang zu hinduistischen Tempelanlagen in Sri Lanka, war nur den höher gestellten bestimmt. In den 70ern und 80ern wurde der Zugang zu Hindu Tempeln im Norden von Sri Lanka, dem Ortsteil Jaffna teilweise komplett verwehrt. Der Ortsteil „Nallur“ mit dem bekanntesten „Murugan Tempel – Nallur Kandaswami“ war dafür berüchtigt. Dies erfuhr ich bei meinen Rundreisen immer wieder von den Einheimischen. Erst durch den Bürgerkrieg und der damaligen Rebellenbewegung seitens der tamilischen Minderheit, konnten solche verachtenden Umgangsweise größtenteils unterbunden werden. Doch der Samen blieb weiterhin in den Köpfen der Gesellschaft bestehen und wurde von Generation zu Generation weitergeben. Zwar wird heute nicht mehr öffentlich darüber gesprochen, allerdings herrscht der Ur-Gedanke noch in den Köpfen der Menschen. So denke ich, dass es weitere Jahrzehnte brauchen wird, bis dieser „Chip“ komplett einmal gelöscht ist und die Menschen sich auf Augenhöhe begegnen, ohne sich in Klassen zu unterteilen.

Das Gedankenkarusell

Ich hatte zuhause einen inneren Kampf mit meinem hiesigen „Ich“, welches ich durch die Geburt in mitbekommen habe. Dieses „Ich“, zeigte mir immer wieder die Schattenseite der tamilischen Kultur auf, die ich wiederrum durch das „kulturelle Ich“ versuchte zu widerlegen. Immer dann, wenn ich auf kulturelle Veranstaltungen war. Diese Besuche wiederrum, kosteten mich immer viel Kraft und Energie, weil mein Körper und Geist mir signalisierten, dass ich die „Freiheit“, die ich sonst in der hiesigen Welt, wie in der Schule oder allgemein draußen hatte nicht so praktizieren und zeigen kann, wie sonst. Dieses emotionale Korsett, war verbunden mit Licht und Schatten zugleich. Das ganze ging solange gut, bis mein „Glashaus“ mit 24 Jahren in sich zusammenbrach und mir den emotionalen Boden unter den Füßen wegriss. Als ich damals alles verloren hatte, was ich mir bis dahin aufgebaut habe.
Ich fiel in ein tiefes emotionales Loch, ohne zu wissen, was wirklich mit mir passierte. Es war Dunkel und kalt und ich fühlte mich der damaligen Situation einfach nur hilflos ausgeliefert. Ein dunkler Tunnel, in dem ich hineingestürzt bin und nicht mehr wusste, ob es am Ende ein Funken Licht jemals geben wird. Es blieb nur die Hoffnung, dass es eines Tages besser wird. Doch war der Tag abzusehen war, war ungewiss. Und dafür musste ich den ersten Schritt tun.

Ich erinnerte mich an die Vergangenheit und den Weg zurück, den ich bis zu dem Schicksalsschlag meines Lebens gegangen war mit all den Höhen und Tiefen. Am Ende wurde immer alles gut und ich lernte daraus. Das zog sich wie ein roter Faden in meinem Leben durch. Auch wenn ich geschwächt war, brachte diese Erinnerung mir Hoffnung in einer damals noch für mich ausweglosen Lage. Und diese Hoffnung, brachte den entscheidenden Wendepunkt.
Es sollte ab diesem Punkt fundamental alles anders werden. Erst in diesem Augenblick, schaute ich mir in den Spiegel und traf eine Grundsatzentscheidung. Die Entscheidung nicht mehr gegen mein hiesiges „Ich“ zu arbeiten, sondern es anzunehmen und zu lieben. Das was mein Umfeld seit Kindheitstagen versuchte aus mir weg zu trainieren, was sie jedoch nie schafften, weil mein Wille größer war, als jegliche Maßnahmen von Außen. Der Wille meinen eigenen Weg zu gehen. Auch wenn die Liebsten sich von einem wendeten. Wenn die wichtigsten Bezugspersonen einem das Gefühl gaben, dass man nicht richtig sei, so wie man ist. Wenn der Freundeskreis, das gleiche Gefühl einem widerspiegelte, was zuhause Standard war. Gegen all die Widerstände hielt ich lange Jahre stand. Vor allem schaffte ich es in meinem Kopf ein Konstrukt zu entwickeln, um den Spagat zwischen der hiesigen und kulturellen Welt zu halten. Die Flucht in den falschen Freundeskreis, brachte eine kurze Ablenkung. Die Flucht in verschiedene andere Welten, brachte stets nur eine kurze Ablenkung des emotionalen Zustands, der mich immer wieder einholte. Erst mit der Entscheidung nicht mehr vor mir selbst zu „flüchten“, sondern der zu werden, der ich schon immer seit Kindheitstagen sein wollte aber nie konnte, brachte mir langfristig den inneren Frieden. Heute nach 13 Jahren, fühle ich mich angekommen und wohl in meiner Haut. Dankbar, dass das gedankliche kulturelle Hamsterrad endlich ein Ende hat und ich das Leben in vollen Zügen annehmen und genießen darf. Es herrscht kein innerer Konflikt mehr. Beide kulturellen Teile sind in mir verankert und ich habe die Dinge angenommen, die zu mir passen und daraus zu ein neues Fundament mit neuen Werten für mich und mein Leben geschaffen. Ein Weltbild, welches nach den eigenen Wertevorstellungen beruht und nicht nach den Vorstellungen anderer. Deshalb blicke ich heute nach so vielen Jahren auf die dunkelsten Stunden meines Lebens mit einem Lächeln zurück, denn sie waren der Beginn zu der großen Reise zu mir selbst. Auch wenn dafür der damalige „Schmerz“ groß war, hat der Weg sich gelohnt und ich würde ihn genauso nochmal gehen, weil ich heute weiß, dass am Ende jeden dunklen Tunnels, das Licht der Hoffnung einen empfängt und die Geburt einer neuen Version beginnt.



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